Was bedeutet das für die Kindes-Entwicklung?
Wie wirkt es sich auf die Entwicklung eines Kindes aus, wenn es keine Bindung zum Vater aufbauen kann? Was fehlt den meisten Mädchen besonders? Wie verändert sich das Leben für Jungen? Natürlich lassen sich keine Pauschalaussagen für jede/n treffen, doch es ist normal, dass Kinder leiden, wenn der Vater keinen gesunden Kontakt zum Nachwuchs pflegt oder pflegen kann. Wir helfen unseren Lesern mit einer Kaufberatung und zeigen Dir, was ohne Bindung zum Vater passieren kann und warum sie folglich so wichtig ist.
Das Wichtigste im Überblick
- eine fehlende Bindung entsteht sowohl bei körperlicher als auch emotionaler Abwesenheit
- Kinder brauchen einen Vater, der mit greifbaren Gefühlen bei ihnen ist
- Töchtern fehlt sonst der prägende Erstkontakt zum männlichen Geschlecht
- Söhnen fehlt der Vater als männliches Vorbild, an dem sie sich orientieren
- neue Partner im Leben der Mutter können teilweise Ersatzpapa werden
Für alle Kinder gilt: Emotionale Abwesenheit des Vaters ist wie körperliche Abwesenheit
Für Alleinerziehende ist es immer schwer, die Abwesenheit des anderen Elternteils auszugleichen. Und komplett kann dies auch nicht gelingen, da alleinerziehende Mütter nicht den Vater und alleinerziehende Väter nicht die Mutter ersetzen können.
Sowohl für Mädchen als auch für Jungen ist es problematisch, wenn der Vater nur an Wochenenden oder gar nicht da ist. Es fehlt der Austausch über das Erlebte im (Kinder-)Alltag und die unmittelbare Reaktion des Vaters. Je jünger ein Kind ist, desto mehr setzt es die Anwesenheit mit Liebe gleich. Wer nicht da ist, hat offenbar wenig Interesse. Dass Konflikte zwischen den Eltern oder auch berufliche Verpflichtungen den Vater zur Abwesenheit zwingen, können Kinder gerade in den prägenden Jahren nicht verstehen. Die Abwesenheit ist ein Liebesentzug, der das Heranwachsen verändert.
Diese Abwesenheit ist aber nicht allein auf die körperliche Präsenz beschränkt. Der so wichtige Austausch kann auch eingeschränkt sein, wenn der Vater zwar im Raum ist, jedoch keine emotionale Bindung mit dem Kind aufbaut. Noch bevor Kleinkinder reden können, spüren sie instinktiv, wer ihnen Aufmerksamkeit schenkt und wer nicht. Ältere Kinder nehmen emotionale Kälte noch extremer wahr und leiden langfristig.
Für eine gesunde Bindung zum Vater brauchen Kinder emotionales Feedback. Väter müssen aufgeschlossen im Alltag sein und echte Gefühle zeigen.
Wie wirkt fehlende Bindung zum Vater auf Töchter?
Die Beziehung zwischen Tochter und Papa ist für viele Väter ein geradezu „heiliges Band“. Wie eine Prinzessin wird das Kind beschützt und umsorgt. Für die Mädchen ist der Papa der erste Kontakt zum anderen Geschlecht und wird daher automatisch zu einer „Mustervorlage“ der Männerwelt insgesamt. Alle späteren Kontakte zu Männern werden sie mit ihren Vätern zeigen.
Da die Vater-Tochter-Beziehung derart prägend für Mädchen ist, wirkt sich eine fehlende Bindung zum Vater sehr negativ auf ihre Entwicklung aus. Ist der Vater physisch nicht anwesend, kann sie kein konkretes Männerbild entwickeln. Sie lernt nur: Väter (und damit Männer) sind nicht da, wenn sie als Schulter zum Anlehnen oder Berater gefragt sind. Es entsteht aber nicht nur negatives Männerbild, auch das Verständnis vom eigene Wert leidet. Unbewusst denken viele heranwachsende Frauen: Papa hat mich nicht geliebt, ich bin wohl nicht liebenswert. Das kann bis zur Beziehungsunfähigkeit führen.
Bei emotionaler Abwesenheit ist das unbewusste Fazit der Mädchen nicht besser: Papas/Männer sind gefühlskalt. Da das normal ist, wird später auch seltener nach einem liebevollen Partner gesucht und das Risiko für Beziehungen, die den Frauen nicht gut tun, wächst.
Was passiert ohne Bindung zum Vater mit den Söhnen?
Für Jungen ist eine fehlende Bindung zum Vater ebenfalls sehr problematisch. Während Mädchen durch den Papa das andere Geschlecht kennenlernen, sind Väter für jeden Jungen eine Identifikationsfigur. Wie benehmen sich Männer? Was wünschen sie sich und wie geht man mit Mädchen/Frauen um? All diese zentralen Fragen hat jeder Sohn und sucht die Antworten instinktiv beim Vater. Dieser lebt vor, was und wie ein Mann ist.
Fehlt diese Vater-Sohn Bindung, ist der Vater automatisch ein schlechtes Vorbild, denn er zeigt, dass Männer nicht da und nicht zuverlässig sind. Der Sohn läuft außerdem Gefahr, sich fragwürdigen Ersatz zu suchen. Das kann im besten Fall ein anderes Familienmitglied sein, das einen guten Einfluss auf den Heranwachsenden hat, es können aber auch dubiose Freunde oder unrealistische Schauspieler/Musiker etc. sein.
Besteht keine Bindung zum Vater, da dieser auch physisch nicht anwesend ist, sehen Jungen sich einer „weiblichen Übermacht“ gegenüber. Nicht nur Zuhause ist vor allem eine Frau präsent, sondern auch im Kindergarten, der Grundschule und in vielen Vereinen sind selten Betreuer, sondern vor allem Betreuerinnen am Werk. Ohne Bindung zum Vater kann das Jungen in eine Gegenpositionen drängen. Sie lehnen die Frauen ab, um sich abzugrenzen und über die Abgrenzung als männlich zu definieren. Ein gesundes Miteinander kann so nicht entstehen.
Kann die Vaterfigur für Mädchen und Jungen ersetzt werden?
Das Thema Ersetzbarkeit ist sehr schwierig. Es gibt viele alleinerziehende Mütter, die sich eine neue Partnerschaft aufbauen und einen „Ersatzpapa“ ins Leben der Kinder bringen. Das kann gut gehen, aber auch auf enorme Ablehnung stoßen.
Wird kein neuer Mann zum Bestandteil der Familie, orientieren sich manche Kinder an den Großeltern und Onkeln beziehungsweise Tanten. Einen echten Ersatz kann das jedoch nicht darstellen, da bei den einen der Generationsunterschied ins Gewicht fällt und in beiden Fällen selten unter einem Dach gelebt wird. So kann kein realistischer Familienalltag abgebildet werden.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ohne Bindung zum Vater ein gesundes Verständnis über Beziehungen zwischen Männern und Frauen entsteht, ist vergleichsweise gering. Ist der Vater komplett aus dem Alltag gestrichen oder nur „Ernährer“ und hilft weder im Haushalt noch unternimmt er mit der Familie etwas, werden sowohl der Sohn als auch die Tochter das als normal erlernen und später oft selbst Haushalt und Kindererziehung als „Frauensache“ sehen.
Quellen und Links
- [PDF] Die Rolle des Vaters in der Familie – BMFSF
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Deutsches Institut für Jugend und Gesellschaft, Matthias Franz, Vater-Bezug
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H. Lensche, B. Junkert-Tress, M. Franz: Konzept und Evaluation einer supportiven Gruppen-Kurzintervention für alleinerziehende Mütter. In: Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik, im Druck
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H. Radebold: Abwesende Väter. Folgen der Kriegskindheit in Psychoanalysen, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000