Wie wichtig sind Regeln für Kinder? .. und warum Regeln brechen bei uns erlaubt ist.

Regeln für Kinder sind wichtig
Regeln für Kinder sind wichtig, werden aber individuell angepasst. Mario Förster

Als Vater ist eine deiner wichtigsten Aufgaben deinem Kind Regeln beizubringen. Damit beginnst du, wenn es nach den Ansichten der meisten Menschen geht, schon so früh wie möglich, damit du es nicht verpasst und sich deine Kinder am Ende vielleicht zu frechen Tyrannen entwickeln.  Das kennst Du, oder? So, oder so ähnlich bekommen wir das doch alle zu hören und das ist auch der stetige Grundton in Familien, Medien und diversen Erziehungsratgebern. Ich sage, Nein, Regeln sind nicht überdurchschnittlich wichtig und Sie müssen auch nicht immer eingehalten werden. Warum das so ist und wo die Chancen beim „Brechen von Regeln“ entstehen, erfährst du gleich.

Regeln für Kinder sind wichtig
Regeln für Kinder sind wichtig, werden aber individuell angepasst. Mario Förster Fotocredit: Paul Glaser, Görlitz

Prinzipiell wissen wir das ja auch, weil wir auch so erzogen worden sind „Regeln sind wichtig für unser Leben“ sie geben uns Sicherheit und Struktur und sollen unser Leben harmonisch und unkompliziert machen und deshalb steht unumstößlich fest; „Kinder brauchen Regeln, damit sie als Erwachsene in der Gesellschaft zurechtkommen!“ … Regeln dienen der Stabilität und Entwicklung der Persönlichkeit deines Kindes.

Das wird so gemacht, Warum..? Weil ich das sage!

Ich sage Nein, für mich stimmt das so nicht, Stabilität und eine gesunde Entwicklung des Kindes braucht zuerst eine Vertrauensorientierte zugewandte Beziehung zwischen Eltern und Kindern, und keinesfalls ein lückenloses Regelwerk und besondere Strenge.

„Ich muss ein Kind nur teilhaben lassen. Dann sieht es von alleine, welche Grenzen und Regeln es gibt. Und es wird sich von ganz allein an diese halten, um Teil der Gesellschaft zu sein.“ Zitat Michael Hüter

weiterlesen: Interview mit Michael Hüter

Brauchen Kinder Regeln?

Ja klar, auch wir haben zuhause Regeln und setzen diese um, nur eben nicht, ohne darüber nachzudenken, zu hinterfragen, anzupassen und wir gehen dazu ins Gespräch mit den Kindern, reden über deren Nutzen und hinterfragen den Nutzen auch für uns.

Darum sollten Regeln hinterfragt und gebrochen werden?

Wenn wir unsere Kinder so erziehen das sie sich an jedes, von außen vorgefertigte Regelwerk halten, wenn Sie nicht lernen, zu hinterfragen und sich selbstständig Gedanken über Ihr Handeln und dessen Konsequenzen zu machen, wenn Sie kein Gespür für eine individuelle Entscheidung bekommen, dann vergeben wir die große Chance das aus unseren Kindern bewusste achtsame Menschen werden, die eine Eigenverantwortlichkeit entwickeln und auch später in Ihrer Persönlichkeit noch wachsen können.

…Aber bevor wir euch jetzt anstifte alle Regeln zu brechen, lasst uns erstmal anschauen was sind Regeln und welche Arten gibt es.

Was sind Regeln und welche kann ich verändern

Um das zu klären, schauen wir uns erstmal die Bedeutung des Wortes „Regel“ richtig an.

Wir fragen dazu Wikipedia „Eine Regel ist eine aus bestimmten Regelmäßigkeiten abgeleitete, aus Erfahrungen und Erkenntnissen gewonnene, in Übereinkunft festgelegte, für einen bestimmten Bereich als verbindlich geltende Richtlinie.“

Damit haben wir schonmal zwei sehr wichtige Ansatzpunkte im Umgang mit Regeln erfahren.

→ Zum ersten eine Regel wird aus Regelmäßigkeiten abgeleitet, was heißt: hat sich etwas bewährt dann ist daraus eine Regel abgeleitet worden.

Was wir tun und uns erlauben: Verändert sich etwas, zum Beispiel in unserem Zusammenleben in der Familie, stellen wir, oder stellt sich eine andere Regelmäßigkeit her, dann wenn sich das bewährt, gestalten wir eine neue Regel.

→ Zum zweiten, Regeln sind verbindlich geltende Richtlinien. Sie geben also die Richtung an sind eben aber auch kein festes Gesetz.

Was wir tun, was wir uns erlauben: die Richtung einer Handlung, einer Ansicht oder Meinung zu hinterfragen, anzupassen und anders ausrichten.

Das wird so gemacht, das war schon immer so

Wir müssen dann noch unterscheiden in Regeln, die von außen kommen, z.B. aus unserer eigenen Erziehung, oder dem gesellschaftlichen Kontext und denen, die wir einfach übernehmen.

Und Regeln die wir selbst aufstellen, in unserem Familienleben, im Umgang mit uns selbst oder mit Anderen.

Grundsätzlich bin ich der Meinung alle Arten von Regeln und Grenzen dürfen hinterfragt werden, aber nur bestimmte Regeln kann ich und mein Umfeld selbst ändern.

Feste Regeln und Grenzen für Kinder

Diese Regeln kann ich hinterfragen, ich bin aber allein durch mein Handeln nicht in der Lage sie zu verändern.

→ das können sein, die Straßenverkehrsordnung, die Hausordnung in der Schule, die Gesetze in unserem Land, Ländergrenzen

→ die Unversehrtheit des Anderen, Würde

→ Bestimmungen, Normen

→ Höflichkeitsformen

Regeln die wir brechen oder verändern können

Regeln und Grenzen die wir und auch unsere Kinder gemeinsam durch unser eigenes Handeln anpassen können

→ Formen im Zusammenleben

→ Regeln im Familienalltag

→ Umgangston

→ zu Bett gehen

→ Aufstehen

→ gemeinsames Essen

→ Ernährung

→ Regeln in unserem Haus/Wohnung

→ Umgang mit Medien

Ich möchte das ganze an einem Beispiel aufzeigen..

Muss mein Kind die Hand geben?

„Du gibst dem Besuch die Hand, das gehört sich so.“

Wir nehmen dieses in Deutschland weit verbreitete Höflichkeitsregel als ein Beispiel, weil sie meiner Meinung nach sehr gut aufzeigt wie weit die eigene Persönlichkeit von diesem überlieferten Regelbild beeinflusst wird und weil das geforderte Händeschütteln schon zu oft ideologisiert wurde.

Bevor ich zu den persönlichen Unsinnigkeiten dieser Regel komme will ich das Händeschütteln aus verschiedenen Perspektiven betrachte:

Historisch:

→  Wird dem Händeschütteln nachgesagt das es dazu diente, dem Gegenüber zu zeigen das man selbst keine Waffe in der Hand hat.

→  Ist es Ausdruck besonderer Verbundenheit

→  2017 führte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) das Händeschütteln zur Begrüßung in seinem Zehn-Punkte-Katalog zu einer deutschen Leitkultur auf, an die sich alle Einwanderer anzupassen hätten.[2]

→ Haben Neurobiologen des Weizmann Institute of Science in einer Studie mit 280 Probanden herausgefunden, dass das Händeschütteln zur Aufnahme der Duftstoffe des Gegenübers genutzt wird. [3]

Gesundheitlich:

2007 publizierten Übersichtsstudie scheint das Händeschütteln, neben dem gemeinsamen Kontakt von Menschen mit Oberflächen wie etwa Türklinken, der wichtigste Übertragungsweg für Infektionen wie Erkältungen oder auch Magen-Darm-Erkrankungen zu sein

Jetzt da wir das alles wissen, frage ich, warum soll mein Kind jedem die Hand schütteln zu dem es vielleicht in diesem Moment gar keine Verbindung hat. Warum darf das mein Kind nicht selbst aus sich heraus entscheiden, ob es der einen Person die Hand gibt, der anderen ehern nicht.

Ist es hier vielleicht ehern der gesellschaftliche Zwang oder doch Angst, dass sich Kinder nicht so benehmen wie man es von Ihnen erwartet und wir als Erwachsene dann schlecht dastehen?

Vielleicht lassen wir einfach mal unsere Kinder entscheiden wem Sie die Hand geben zur Begrüßung und wem nicht, nur so können wir auch sehen ob Sie die Begrüßung von allein so durchführen.

Wir sitzen gemeinsam am Tisch

Ein anderes Beispiel aus unserem Familienalltag ist unsere Familienregel „Wir sitzen beim Essen gemeinsam am Tisch“

Wir haben diese Regel gemeinsam aufgestellt, zum einen weil wir gemeinsam essen möchten und dadurch gemeinsame Zeit verbringen. Ein anderer und für uns auch sehr wichtiger Grund ist, weil wir Interesse aneinander haben, weil wir erfahren wollen wie der Tag des anderen abgelaufen ist, was ihn bewegt und bedrückt und was er erlebt hat.

Aber, diese Regel ist nicht in Stein gehauen, es gibt auch Mahlzeiten da dürfen die Kinder mal vorm Fernsehen essen, oder draußen auf der Wiese oder in Ihrem Zimmer beim Hörbuch hören.

Das entscheiden wir gemeinsam.

Unsere 4 Regeln für ein gutes Familienleben

  1. Freiraum und Grenzen einhalten
    Wir akzeptieren jeden in der Familie und außerhalb so wie er ist. In der Familie kann man sich frei fühlen, alles sagen. Wir respektieren seine Grenzen und geben ihm seinen Freiraum.
     
  2. Verlässlichkeit – Struktur, Zusagen, Pünktlichkeit
    Wir halten uns an das was wir sagen, planen unsere gemeinsames Leben
     
  3. Zuverlässigkeit – Ehrlich und Zugewandt dem Anderen
    Wir sind gegenüber uns und anderen Zuverlässig und haben Interesse aneinander
     
  4. Gemeinsamkeit
    wir verbringen gemeinsame Zeit miteinander

Vielleicht kann euch mein Artikel ein wenig inspirieren, um nicht alles unbedacht hinzunehmen und mitzumachen und um eueren Kindern die eigene Sicht weiterzugeben. Und falls ihr euch jetzt fragt „Was heißt das jetzt“… sollen wir jegliche Regeln brechen, natürlich nicht. Aber ihr sollt mal nachspüren ob die Regeln wirklich für Euch Sinn machen, oder ob Ihr nur etwas übernommen habt was andere Euch vorgegeben haben und was für Euch garnicht gut ist.

Meine Buchempfehlung

Quellen

[2] De Maizières Leitkultur-Richtschnur, Tagesschau.de, 2. Mai 2017
[3] www.weizmann-usa.org/news-media/news-releases/the-scent-of-a-handshake
[3] www.galileo.tv/life/der-grund-warum-wir-uns-die-haende-schuetteln-ist-total-eklig

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