Das Piaget Stufenmodell in der Kindesentwicklung: Definition & Kritik

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Entwicklung Copyright: agsandrew bigstockphoto

Mit seinem Stufenmodell leistete der Schweizer Biologe Jean Piaget einen relevanten Beitrag zur Entwicklungspsychologie. Im frühen 20. Jahrhundert stellte er seine Theorie über die Entwicklung der menschlichen Intelligenz auf. Laut dieser vollzieht sie sich universell in voneinander abhängigen Stufen.

Piaget Stufenmodell
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Piaget Stufenmodell – Das Wichtigste in Kürze:

  • Das Piaget Stufenmodell gliedert den kognitiven Entwicklungsprozess von Kindern in vier Stufen, die in unumkehrbarer Abfolge aufeinander aufbauen. Dies erfordert den Abschluss einer Stufe, bevor Kinder mit der nächsten beginnen.
  • Die vierte Stufe in Piagets Stufenmodell, die formal-operationale Stufe, weist keine Altersbegrenzung auf. Damit symbolisiert sie den lebenslangen Lernprozess des Menschen.
  • Piagets Stufenmodell zeigt die kognitive Entwicklung von Kindern als konsistenten und kulturell unabhängigen Prozess. Allerdings belegt eine 2011 veröffentlichte Studie, dass sich Babys im Kulturvergleich variabel und unterschiedlich schnell entwickeln.

Wie ist das Stufenmodell nach Piaget aufgebaut?

Das Modell von Piaget besteht aus vier Phasen oder Stufen:

  • sensomotorische Stufe
  • präoperationale Stufe
  • konkret-operationale Stufe
  • formal-operationale Stufe

Bevor das Kind in eine neue Phase eintreten kann, schließt es die vorhergehende ab. In seiner Theorie betont Piaget, dass die Übergänge zwischen den Stufen individuell ablaufen. Dennoch seien sie universell und kulturunabhängig.

Sensomotorische Phase

Laut Piaget erstreckt sich diese Stufe ab der Geburt bis zum vollendeten ersten Lebensjahr des Kindes. In dieser Zeit entwickelt es das Ich-Bewusstsein und lernt die Ansätze von Sinneswahrnehmung und Bewegung.

Zu Beginn der sensomotorischen Phase konzentriert sich das Baby auf den eigenen Körper. Dieser Zeitpunkt legt den Grundstein für den Egozentrismus, der sich bei Kindern mit der Sprachentwicklung langsam auswächst. Dennoch unterscheidet das Baby noch nicht zwischen sich und der Umwelt.

Zunächst begrenzen sich seine motorischen Fähigkeiten auf die angeborenen Reflexe. Sie prägen die erste Stufe innerhalb dieser Phase. Ihr folgen:

  • primäre Kreisreaktionen – die Reflexe des Kindes kombinieren sich zufällig miteinander
  • sekundäre Kreisreaktionen – das Kind reagiert auf Reize von außen und versucht, auf seine Umwelt einzuwirken
  • intentionales Verhalten – das Kind handelt zielgerichtet
  • tertiäre Kreisreaktionen – das Baby tastet zielgerichtet nach Personen oder Objekten; es lernt den Gebrauch von Hilfsmitteln

Zu den wichtigen Schritten während der sensomotorischen Phase gehört die Entwicklung der Objektpermanenz. Ebenso lernt das Kind Bewegungen und deren Auswirkungen zu bedenken. Diese Fähigkeit markiert den Übergang zur nächsten Phase.

Präoperationale Phase

Kinder zwischen zwei und sieben Jahren befinden sich in dieser Phase, die sich in zwei Entwicklungsschritte gliedert. Bis zum Alter von bis zu vier Jahren lernen sie das symbolische, vorbegriffliche Denken, anschließend das anschauliche Denken.

Zu den Merkmalen der präoperationalen Phase zählen:

  • Egozentrismus
  • Erwerb der Sprachfähigkeit
  • logische Irrtümer
  • Vermenschlichung von Gegenständen
  • Entwicklung der Fantasie

Während dieser Phase halten Kinder unbelebte oder eingebildete Dinge für real. In der Folge beginnen sie, abstrakte Ängste zu entwickeln.

Ein weiteres Merkmal der präoperationalen Phase ist die Zentrierung. Hierbei konzentriert sich der Nachwuchs auf Details und verliert darüber den Gesamtüberblick. Dementsprechend fällt es ihm schwer, komplexe Aufgaben zu lösen.

Konkret-operationale Phase

Im Alter zwischen sieben und elf Jahren prägt sich das logische Denken bei Kindern aus. Ebenso entwickeln sich Fähigkeiten wie:

  • Dezentrierung und die damit verbundene langsame Abkehr vom Egozentrismus
  • Empathie
  • räumliches Denken
  • Verständnis von Reversibilität
  • Gegenstände nach bestimmten Merkmalen zu ordnen (Seriation)
  • Gegenstände nach einem Merkmal zu gruppieren (Klassifikation)

Kinder lernen in dieser Zeit das Invarianzkonzept. Sie begreifen, dass Objekteigenschaften in unterschiedlichen Situationen konstant bleiben.

Formal-operationale Phase

In dieser Phase verfügen die Kinder über alle notwendigen Fähigkeiten, um ihre Umwelt zu begreifen. Sie entwickeln sie im Laufe der Zeit weiter. Die formal-operationale Phase beginnt laut Piaget ab zwölf Jahren und setzt sich bis zum Lebensende fort.

Kritik am Piaget Stufenmodell

Zwei große Kritikpunkte stellen die von Piaget angenommene Entwicklungstheorie von Kindern infrage:

Das Stufenmodell bildet die kognitive Entwicklung als konsistenten Prozess ab. Dieser sei unabhängig von der Kultur, in der das Kind aufwächst. Dem widersprechen Studien, welche die Entwicklung von Kindern in unterschiedlichen Kulturen miteinander vergleichen.

Die 2011 von Arnold Lohaus et al. veröffentlichte Publikation „Infant development in two cultural contexts: Cameroonian Nso farmer and German middle‐class infants“ beschreibt bei Kindern verschiedene, an den ökokulturellen Kontext angepasste Entwicklungspfade.

Dem Beitrag der sozialen Umwelt auf die kognitive Entwicklung der Kinder misst Piaget eine untergeordnete Bedeutung bei. Dieser These widerspricht der Kinderarzt Remo H. Largo in seinem Fachbuch „Babyjahre“.

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Das Buch Babyjahre beschreibt, wie der kindliche Entwicklungsverlauf von der genetischen Veranlagung sowie den herrschenden Umweltbedingungen abhängt.

 

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