Computerspielsucht bei Kindern – Was Eltern tun können

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Obwohl schon in den 90er Jahren die ersten wissenschaftlichen Studien auf die Suchtgefahr von Computerspielen und Internet hingewiesen haben, dauerte es bis 2018 zur offiziellen Anerkennung von Computerspielsucht durch die WHO.  Spätestens seitdem sorgen sich Eltern, wenn ihre Kinder und Jugendlichen zunehmend mehr Zeit mit Smartphone, Konsole und PC verbringen. Dabei fanden Studien, dass nur 2-4 % der Computerspieler tatsächlich Anzeichen einer Sucht aufweisen. Aber wie lässt sich häufiges, aber unbedenkliches Spielen von einer echten Sucht unterscheiden? Überraschend: Es geht nicht um die Anzahl der Stunden.

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Beeinträchtigen Spiele das restliche Leben?

Eine recht aktuelle Studie zeigte, dass Jugendliche im Schnitt täglich 10 Stunden lang Medien konsumieren. Der sprunghafte Anstieg im letzten Jahrzehnt ist vor allem auf das Smartphone zurückzuführen. Dadurch sind soziale Medien und mobile Spiele jederzeit verfügbar. Eltern fehlen dann die Möglichkeiten den Konsum einzuschränken. Feste Bildschirmzeiten und Regeln wie bei Konsole und PC lassen sich damit kaum noch durchsetzen.

Bei so hohem Medienkonsum auch unter Nicht-Süchtigen ist die reine Bildschirmzeit klarerweise ein schlechter Indikator für eine Sucht. Die WHO geht in ihrer Beschreibung der Gaming Disorder deshalb einen anderen Weg: Sie versucht einzuschätzen, welche Auswirkungen der Medienkonsum auf den restlichen Alltag und das Leben des Betroffenen hat.

Computerspielsucht Symptome abseits der reinen Spielzeit

Von einer Computerspielsucht darf man nach WHO-Kriterien erst sprechen, wenn die folgenden Symptome über einen längeren Zeitraum (z. B. 12 Monate) vorliegen:

  1. Kontrollverlust: Der Betroffene schafft es nicht, sein Verlangen nach Computerspielen selbst zu einzuschränken. Vielfach haben die Betroffenen auch selbst schon versucht, sich selbst Grenzen zu setzen. Zum Beispiel wenn sie sich vornehmen, abends nur bis zu einer bestimmten Zeit zu spielen. Bei einer echten Sucht schaffen es Betroffene nicht mehr, dem Suchtdruck zu widerstehen.
  2. Die Computerspiele werden zum Mittelpunkt des Lebens. Ein ernstes Anzeichen ist, wenn die Spiele das einzige werden, das dem Betroffenen noch Spaß und Freude bereitet. Das erkennt man daran, dass er bisherige Hobbys nach und nach aufgibt – nicht mehr in den Sportverein geht, sich immer weniger mit Freunden trifft und Leistungen in Schule (oder Ausbildung) einbrechen.
  3. Süchtige spielen auch dann weiter, wenn sie unter den negativen Konsequenzen leiden. Eine Computerspielsucht hat Folgen: massive Konflikte in der Familie, Freundschaften zerbrechen, körperliche Beschwerden, Einsamkeit. Auch wenn dem Betroffenen diese Konsequenzen bewusst werden, schafft er es nicht, einfach aufzuhören.

Eine ganz typische Eigenschaft von Süchten ist, dass es wie in einem Teufelskreis immer schlimmer wird. Computerspielsüchtige Kinder ziehen sich mit der Zeit immer mehr zurück. Sie fühlen sich allenfalls noch von ihren Online-Freunden verstanden. Obwohl das Umfeld oft lange versucht, ihn zu bisherigen Aktivitäten und Hobbys zu bewegen, geben sie irgendwann doch auf. Dann bleiben dem Süchtigen nur noch seine Spiele.

Begleiterkrankungen machen eine Computerspielsucht kompliziert

Bei fast allen Computerspielsüchtigen spielen zudem psychische Begleiterkrankungen eine wichtige Rolle. Am häufigsten sind Depressionen (Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit), Ängste (Soziale Phobien), ADHS und Persönlichkeitsstörungen. Wenn sich eine Computerspielsucht entwickelt, verschlimmern sich auch diese Begleiterkrankungen – was es dann umso schwerer macht, die negative Spirale zu stoppen.

Das zeigte sich auch in einer Studie, die untersuchte, ob Computerspielsucht von alleine wieder besser wird. Die Ergebnisse waren ernüchternd – bei 90 % der Süchtigen hatte sich nach einem Jahr ohne Behandlung die Situation nicht verbessert.

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Deshalb gilt: Möglichst früh eingreifen

In leichten Fällen können Eltern viel alleine bewegen. Dann können Ratgeberbücher in erzieherischer Hinsicht unterstützen.

Am Anfang steht immer das Gespräch mit dem Betroffenen. Süchtig oder nicht, ihr Gegenüber wird das Gefühl haben, dass Sie ihm etwas wegnehmen wollen, das ihm sehr wichtig ist. Um in dieser Situation zu ihm durchzudringen sollten Sie das Gespräch vorbereiten.

  1. Setzen Sie sich ein Ziel: Was möchten Sie mit diesem Gespräch erreichen? Soll er erstmal einfach nachvollziehen können, warum Sie sich sorgen? Wann wäre das Gespräch erfolgreich?
  2. Suchen Sie den richtigen Zeitpunkt: Computerspielen und Surfen fordern die gesamte Aufmerksamkeit. Sprechen Sie das Thema an, während er gerade NICHT spielt. Wählen Sie eine Tageszeit, an der er (und auch Sie selbst) am ehesten ruhig und gelassen sind.
  3. Bleiben Sie konkret. Anstelle von “Das ist nicht normal!” nennen Sie konkrete Beispiele und Situationen. Das hilft ihm, Ihre Sorgen nachzuvollziehen.
  4. Verzichten Sie auf offene Vorwürfe. Sprechen Sie stattdessen, wie Sie und die Familie unter der Situation leiden.
  5. Bieten Sie Hilfe an. Überlegen Sie, was ein erster Schritt in die richtige Richtung sein könnte. Vielleicht dass Sie eine ganz einfache Maßnahme wie ein erstes Protokoll der Spielzeiten vereinbaren könnten? Eine feste Zeit, an der Smartphone und PC am Abend aus sind?

Sie sehen, es gibt viel, das Sie richtig machen können. Am besten bereiten Sie das Gespräch schriftlich vor. Wie können Sie das Gespräch anfangen, was wollen Sie unbedingt sagen?

Wenn Sie alleine nicht weiterkommen

So gut Sie sich vorbereiten – in schweren Fällen holen Sie sich besser professionelle Hilfe. Das gilt jedenfalls, wenn der Betroffene Anzeichen einer Depression zeigt und seine Traurigkeit gerade durch Computerspielen zu bekämpfen versucht.

Auch ausgeprägte Aggressivität ist ein Zeichen dafür, dass Sie Unterstützung brauchen. Wenn er Sie massiv beleidigt, sie schlägt und körperlich angreift oder damit droht, sich selbst zu verletzen oder umzubringen, dann müssen Sie mit dem Problem nicht mehr alleine fertig werden.

Buchtipp Computerspielsucht

Professionelle Hilfe bei Computerspielsucht

Eine gute erste Anlaufstelle kann ihr Hausarzt sein. Er kennt Sie und den Betroffenen, kann ggf. auch Begleiterkrankungen abschätzen und sie weiterverweisen.

Gezielter können Beratungsstellen und auf Computerspiel-Sucht spezialisierte Psychologen und Psychotherapeuten vorgehen. Diese Beratungen laufen oft online per Video-Chat ab. Dabei kann die Beratung mit dem Betroffenen selbst, aber auch nur mit den Eltern oder Angehörigen stattfinden, wenn der Betroffene das Problem nicht selbst erkennt.

Eltern machen meist den ersten Schritt

Das ist zumindest am Anfang leider der häufigste Fall – Eltern und Angehörige erkennen eine Sucht meistens zuerst. Es liegt also in ihrer Hand die möglichst frühzeitige Behandlung einzuleiten.

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Über den Autor:

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Dr. Armin Kaser, ist Klinischer Psychologe, spezialisiert auf Computerspiel-Sucht, und berät in seiner Online-Praxis per Video-Chat Betroffene, deren Angehörige und Eltern.

Auf seiner Website findet sich mittlerweile die umfangreichste Sammlung an Gratis-Materialien zu Computerspiel- und Internetsucht: Online-Tests, Adressen von Anlaufstellen, Tipps für Eltern und Angehörige und YouTube-Videos zu Ursachen, Folgen und Therapie  von Computerspiel-Sucht.

Webseite: dr-armin-kaser.com/computerspiel-sucht