Selbstwahrnehmung – Wer bin ich? Was kann ich? Wie lernt Dein Kind ein gutes Selbstgefühl?
„Papa, schau mal! Ich bin Superman!“, schreit Dein vierjähriger Sohn und springt vom Klettergerüst nach unten. Autsch. Das war wohl ein bisschen hoch. Jetzt liegt der kleine Superman weinend im Sand und braucht Trost von Papa.
Autoren: Mario Foerster, Jessica Kilonzo, Fachärztin für Kinderheilkunde
Viele Kinder im Kindergartenalter schätzen ihre Fähigkeiten zu hoch ein. Sie denken, sie können alles und machen es einfach. Aber es gibt auch Kinder die zu wenig Selbstgefühl besitzen, eine zu niedrige Selbsteinschätzung macht Dein Kind unselbstständig. Hast Du so ein Kind, dann kommst Du Dir an manchen Tagen wie ein Motivationscoach vor.
„Du kannst das! Klar schaffst du das! Probiere es einfach aus!“, sind Deine häufigsten Sätze. Aber Kinder werden größer und so wächst auch ihre individuelle Fähigkeit der Selbsteinschätzung. Viele achtjährige Grundschulkinder haben bereits ein realistisches Bild von ihren eigenen Fertigkeiten und Eigenschaften.
In diesem Ratgeber findest Du Tipps, wie Du Deine Tochter oder Deinen Sohn bei ihrer oder seiner Entwicklung unterstützen kannst.
Was hinter dem Begriff „Selbsteinschätzung der Kinder“ steckt
Selbsteinschätzung ist die Fähigkeit eines Kindes, seine persönlichen Eigenschaften, Fertigkeiten und Fähigkeiten selbst zu beurteilen. Speziell in der Schule geht es um die Bewertung der eigenen Ergebnisse im Lernprozess. Kinder orientieren sich dabei an den von Lehrern und Eltern geforderten Zielen sowie den Leistungen ihrer Mitschüler.
Wissenschaftler haben in Studien herausgefunden, dass Kindergartenkinder und Kinder in der ersten und zweiten Klasse ihre Leistungen überdurchschnittlich einschätzen. Ab einem Alter von circa acht Jahren wird die Selbsteinschätzung der Kinder langsam realistisch.
5 Fakten zum Thema Selbsteinschätzung der Kinder
- Schon Kleinkinder haben eine subjektive Selbstwahrnehmung.
- Ab einem Alter von circa acht Jahren schätzen sich Kinder zunehmend realistisch ein.
- Die Selbsteinschätzung der Kinder weicht deutlich davon ab, wie Eltern und Pädagogen die jeweiligen Kinder sehen.
- Eltern können viel für eine positive Selbsteinschätzung ihrer Kinder tun.
- Kinder mit einer niedrigen Selbsteinschätzung wirken verunsichert auf andere Menschen.
Die kindliche Selbstwahrnehmung ist komplex
Schon Kleinkinder haben eine ganz subjektive Selbstwahrnehmung und die unterscheidet sich, Untersuchungen zufolge, oft ganz erheblich von der Einschätzung durch Eltern oder Erzieher. Geht es um ihre Selbsteinschätzung, haben Kinder schon früh die Fähigkeit, zwischen drei Selbstkonzepten zu unterscheiden.
Sie beurteilen sich nicht als Menschen insgesamt, sondern teilen sich auf in
- körperliche und geistige Fähigkeiten,
- ihre Gesundheit und
- ihr Sozialverhalten im Bezug auf Mitmenschen.
Eine positive Selbsteinschätzung der Kinder führt zu einer unproblematischen Entwicklung. Die Mädchen und Jungen meistern Aufgaben mit Selbstbewusstsein und sind dazu fähig, Krisen in der Familie oder in der Außenwelt gut zu bewältigen. Dabei kann schon der Beginn eines neuen Lebensabschnittes, wie die Geburt eines Geschwisterkindes oder der Beginn der Kindergarten- oder Schulzeit, eine Krise darstellen.
Wie Wissenschaftler das Selbstkonzept von Kindern untersuchen
Um einen Einblick in die Selbsteinschätzung der Kinder zu bekommen, haben Psychologen standardisierte Fragebögen entwickelt. Kleinkinder und Kindergartenkinder befragen sie dazu im Interviewstil. Schulkinder füllen die Bögen eigenständig aus.
Hier siehst Du ein paar Beispielfragen, um das Konzept besser zu verstehen:
- Lernst Du gerne neue Dinge?
- Hast Du viele Freunde?
- Wirst Du immer schnell müde?
- Freust Du Dich, wenn Dir etwas gut gelungen ist?
- Fühlst Du Dich häufig krank?
- Findest Du, dass Du ein tolles Kind bist?
- Magst Du Dein Leben?
- Hören andere Menschen zu, wenn Du Ihnen etwas erzählst?
Positive oder niedrige Selbsteinschätzung der Kinder
Kinder, die sich selbst positiv sehen, sind selbstsicher, motiviert und bleiben ausdauernd an einer Aufgabe dran. Sie sind selten neidisch auf das Können ihrer Altersgenossen und lassen sich von ihren eigenen Fehlern nicht beeindrucken. Meist sind sie in ihrem Umfeld beliebt, was sie in ihrer positiven Selbsteinschätzung noch bestärkt.
Kinder mit niedriger Selbsteinschätzung sind unsicher. Sie beneiden andere Kinder um deren Erfolge und denken hauptsächlich an sich selbst. Ihre Frustrationstoleranz ist sehr niedrig und sie orientieren sich stark an den Vorgaben, die Erwachsene ihnen geben. Will eine Aufgabe nicht gelingen, gibt ein Kind mit einer negativen Selbstwahrnehmung schnell auf.
Eltern können viel für ihre Kinder tun
Eltern haben einen großen Einfluss auf die Selbsteinschätzung ihrer Kinder. Töchter und Söhne orientieren sich stark an den Bewertungen und Erwartungen von Mutter und Vater. Hier ist eine bedingungslose Wertschätzung sehr wichtig.
Dein Kind muss wissen, und Du musst immer wieder bestätigen, dass es um seiner selbst willen geliebt wird. Gute Leistungen sind hier keine Bedingung. Dein Kind braucht regelmäßig Deine volle Aufmerksamkeit und Dein ehrliches Interesse. Aktives Zuhören bedeutet, dass Du nachfragst, wie es Deinem Kind in einer bestimmten Situation geht und es die Lösungen seiner Probleme selbst finden lässt. Bombardiere es nicht einfach mit gut gemeinten Ratschlägen, während Du nebenbei auf Deinem Smartphone Mails beantwortest. Erkenne die Talente Deines Kindes und fördere sie. Feiert Erfolge gemeinsam.
Fördere die Selbsteinschätzung der Kinder und erziehe sie zur Selbstständigkeit
Selbstständige Kinder sind selbstbewusst und haben eine positive Selbstwahrnehmung. Hilf Deinem Kind dabei, indem Du ihm schon früh beibringst, Verantwortung für seine Handlungen und Gefühle zu übernehmen. Gib faires Feedback zu positivem und negativem Verhalten, ohne Dein Kind zu verletzen. Löse keine Probleme für Dein Kind, mit denen es sich eigenständig auseinandersetzen kann. Bleibe im Gespräch und frage nach.
Beispiele für aktives Zuhören
Ein weinerliches „Ich kann das aber nicht, Papa!“, kann viele Gründe haben. Vielleicht ist Dein Kind einfach nur müde, fühlt sich krank oder es muss noch an seinem Selbstwertgefühl arbeiten. Der Selbsteinschätzung Deiner Kinder hilfst Du am besten mit aktivem Zuhören auf die Sprünge. Antworte nicht einfach „Klar kannst Du das, sei nicht albern.“, sondern stelle eine Gegenfrage.
Das könnte sich zum Beispiel so anhören:
- Woher weißt Du, dass Du das nicht kannst?
- Hast Du es schon versucht?
- Wie wäre es, wenn Du ganz fest daran glaubst, dass Du es kannst?
Vergiss nie, dass die Selbsteinschätzung Deiner Kinder stark von Deiner Liebe, Deiner Akzeptanz und Deinem Respekt für sie abhängt.
Quellen und Literatur:
- Schaller, Lauth, Schuchardt-Groth; Eltern als Emotionstrainer ihrer Kinder? Lernspiele für den EQ? Umsetzung des EQ-Konzepts in aktuellen Elternratgebern; GRIN Verlag, 2010
- Thomas Baumann, Atlas der Entwicklungsgeschichte: Vorsorgeuntersuchung von U1 bis U10/J1, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2015
- R.Goodman, S.Scott, A.Rothenberger; Kinderpsychiatrie kompakt; Springer Verlag; Heidelberg 2013